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Pressemitteilung, 28.02.2021
Symbolische Umbenennung der Loewenfeldstraße
Der Lokalhistoriker Sahin Aydin hatte in 2019 und 2020 Anträge auf Umbenennung der Loewenfeldstraße gestellt. Beide Anträge wurden einstimmig in der Bezirksvertretung abgelehnt.
Aus diesem Grund führte Sahin Aydin am Sonntag, den 28. Februar 2021 eine symbolische Umbenennung der Loewenfeldstraße in Maria-Lippert-Straße durch. Wegen der Corona-Pandemie blieb es bei einer Einzelaktion.
Auch vielen AnwohnerInnen der Loewenfeldstraße ist nicht klar, wer Wilhelm Friedrich Julius Hans „Wilfried“ Höffer von Loewenfeld (25.9.1879 - 05.071946) war:
Mit der Selbstversenkung der Flotte verlor der adelige Berufsoffizier der Kaiserlichen Marine seinen Job. Von da an bekämpfte er die dafür vermeintlich Verantwortlichen: die Matrosen, die Arbeiterbewegung, die demokratische Republik. Von Loewenfeld wurde zum rechtsradikalen Freikorpsführer.
Seine Marinebrigade ging vom 3. April bis zum 18. Mai 1920 in Bottrop, Gladbeck, Dorsten und Kirchhellen gegen die Bergarbeiter vor, deren Generalstreik gerade die Republik gegen den rechtsradikalen Kapp-Putsch gerettet hatte. Von Loewenfeld war in Bottrop und Kirchhellen verantwortlich für die Ermordung von insgesamt 258 Menschen - meist Bergleute, die Kapp bekämpft hatten - sowie für eine Vergewaltigung im Polizeigefängnis im Bottroper Rathaus. Das Opfer hieß Maria Lippert.
Auf dem Friedhof Bottrop-Kirchhellen gibt es ein Ehrengrab für von Loewenfeld und für sein Freikorps. Am 5. Mai 1960 beschloss die Gemeinde Kirchhellen, dem Mörder eine Straße zu widmen.
In der Stadt Kiel wurde das Ehrengrab für von Loewenfeld und seine rechtsradikalen Freikorpsleute am 13.6.2019 durch Beschluss den Rat der Stadt Kiel aufgehoben.
Maria Lippert war am 16.03.1901 geboren und zog mit ihren Eltern nach Bottrop. Sie war 19 Jahre alt, als sie am 27.04.1920 von Angehörigen der Marienbrigade Loewenfeld verhaftet und in das Polizeigefängnis im Bottroper Rathaus gezerrt wurde. Die junge Frau fand im Rathaus keinen Schutz, sondern wurde dort von der Soldateska mehrfach vergewaltigt. Eigentlich hatten Freikorpsleute ihren Bruder gesucht, der gegen den Kapp-Putsch gekämpft hatte, aber nicht gefunden. Die Täter wurden zwar zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Ihnen wurde aber nach kurzer Haftzeit durch Sympathisanten die Flucht ermöglicht. Maria Lippert musste mehrmals operiert werden. Sie konnte keiner Arbeit mehr nachgehen, zog aus Bottrop weg und verstarb am 23. April 1927 in Ohligs
Pressemitteilung als PDF
"Die im Ortsteil Kirchhellen gelegene von Löwenfeld-Straße soll in Maria-Lippert-Straße umbenannt werden."
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Marie (Maria) Josephina Lippert
Marie (Maria) Josephina Lippert wurde am 16.03.1901 in Blumenau/Brasilien geboren. Ihre Mutter war Rosa Lippert, geborene Heinik, geboren in Halsberg bei Kassel. Der Vater Johann Lippert wurde am 31. Juli 1866 im Kreis Kassel geboren. Er starb am 21.03.1920 mit 54 Jahren in Bottrop.
Marie Lippert hatte zwei Brüder. Albert Lippert, der am 01.11.1896 in Blumenau/Brasilien geboren ist, wurde vom Freikorps Loewenfeld am 03.04.1920 ermordet. Er war in der Roten Ruhrarmee und USPD Mitglied.
Der zweite Bruder, Johann Lippert, wurde am 22.02.1899 in Blumenau/Brasilien geboren. Auch er war Mitglied der Roten Ruhrarmee und der USPD. Nach der Besetzung von Bottrop durch das Freikorps Löewenfeld hat er sich in das von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs besetzte Gebiet abgesetzt. Von da aus ging er nach Holland.
Am 27. April 1920 wurde Maria Lippert nach einer Denunziation von Soldaten der Marinebrigade Löwenfeld in ihrer Wohnung in Bottrop verhaftet. Sie wurde nach dem Verbleib ihres Bruders befragt. Weiterhin warf man ihr vor, sie hätte Landfriedensbruch begangen und sei als Krankenschwester bei der Roten Ruhrarmee aktiv gewesen.
Nach ihrer Verhaftung wurde sie in das Gefängnis im Rathaus gebracht, wo sich auch die Bottroper Hauptwache der Polizei befand, die mittlerweile von der Marinebrigade Löewenfeld besetzt war.
Maria Lippert wurde während des Marsches zum Rathaus-Gefängnis mit einer Reitpeitsche und einem Gummischlauch misshandelt und blutig geschlagen. Den Leuten am Straßenrand, die dagegen protestierten, drohten die Soldaten mit dem Erschießen. In der Gefängniszelle angekommen, wurde sie weiter geprügelt und geschlagen.
Am zweiten Tag ihrer Inhaftierung wurde sie über einen Schemel gelegt, den sie selbst herbeiholen und aufstellen musste, um dann mit Reitpeitsche und Gummiknüppel fast bewusstlos geschlagen zu werden. Anschließend wurde sie von dem Sergeanten Adler vergewaltigt, wobei die anderen Soldaten sie festhielten; zuletzt stieß man ihr einen Gummiknüppel in die Scheide. Die Vergewaltigung wiederholte sich am folgenden Tag. In Essen, wohin sie dann von der Marinebrigade abgeschoben wurde, erhielt sie eine Anklage vor dem außerordentlichen Kriegsgericht. Am 15. Mai 1920 wurde sie freigesprochen.
In Bottrop suchte sie verzweifelt nach Ärzten, die sie behandeln sollten. Zwei Ärzte verweigerten jegliche Untersuchung und die Ausstellung eines Attestes. Dr. Zorn aus Bottrop nahm sich ihrer an und stellte ihr ein entsprechendes Attest aus. Er bemerkte, dass er solche scheußlichen Verletzungen überhaupt noch nicht behandeln musste.
Es wurde versucht, Maria Lippert loszuwerden, in dem man einen Antrag auf Abschiebung nach Brasilien stellte. Doch sie erfuhr eine große Solidarität von ihrer Familie und den Menschen aus ihrem politischen Umfeld. Die USPD und KPD Bottrop richteten mehrere Schreiben über diesen Vorfall an die Behörden und das Reichsinnenministerium.
Die Haupttäter, die Unteroffiziere Adler (III. Marinebrigade) und Prokorski, wurden erst nach Monaten vor Gericht gestellt und wurden zu milden fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Adler und Prokorski wurden zur Verbüßung ihrer Haftstrafen ist die Strafanstalt nach Münster verbracht, wo sie am helllichten Tag fliehen konnten.
Diese Flucht ist deshalb rätselhaft, weil dies Gefängnis so gebaut ist, dass eine Flucht ohne Hilfe durch das Personal absolut unmöglich ist. Verständlich wird die Flucht, wenn man in Betracht zieht, dass der Kommandant des Sturmbataillons der Marinebrigade Loewenfeld, Arnold de la Perriere, ein Gnadengesuch der beiden Kriminellen befürwortete und dies den Zuchthäusler Adler wissen ließ.
Maria Lippert musste mehrmals operiert werden und konnte lebenslang nicht mehr arbeiten. Sie klagte gegen den Staat auf Schadensersatz. Das gerichtliche Verfahren wurde in die Länge gezogen. Auf Grund eines Gutachtens eines Vertrauensarztes der Regierung wurde ein von der Regierung in Aussicht gestellter Vergleich zurückgezogen, nachdem sich das gerichtliche Verfahren so in die Länge gezogen hatte. Durch eine Verordnung auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes der Weimarer Verfassung wurden alle Ansprüche von Witwen und Waisen (sowie von Verwundeten) abgelehnt, deren Männer und Väter zur Rettung der Republik gegen die Kapp-Putschisten im Kampf erschossen wurden. Dadurch wurde ihr Antrag auf Entschädigung von der Regierung abgelehnt.
Maria Lippert ist am 23.04.1927 in Ohligs verstorben.
Geschrieben von Şahin Aydın, Lokalhistoriker aus Bottrop